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News - LEGO und die Papiertüten

März 30, 2024 - Lesezeit: 18 Minuten

Hallo zusammen,

mit dem LEGO Set 72167 - Mack LR Electric Garbage Truck fielen mir zum ersten Mal die neuen Papiertüten in die Hände. Und was würde zu diesem Set denn besser passen, als über Abfallvermeidung und Umweltschutz zu reden? Durch den Wechsel der Verpackung von Plastik zu beschichtetem Papier möchte LEGO seine Produktverpackungen hin zu besserer Nachhaltigkeit entwickeln. Ob das gelingen kann, besprechen wir gemeinsam nach dem Break!

Die Ankündigung erfolgte bereits vor ein paar Jahren im September 2020. Hier hatte LEGO das neue Design der Tüten vorgestellt und die Absicht bekundet, die bisher zur Verpackung der Steine verwendeten Plastiktütchen bis 2025 nach und nach auslaufen lassen zu wollen.

Es folgte eine lange Testphase, in der zuerst einzelne Tüten in ausgewählten Sets gegen das neue Material getauscht wurden, wie seinerzeit promobricks bereits berichtete. Michael von promobricks ist damals bei einem LEGO-Mitarbeiter-Set, das er auf ebay ersteigern konnte, erstmals auf diese neuen Tüten gestoßen.

Diese Testphase ist offenbar abgeschlossen und so finden die neuen Tüten Einzug in immer mehr der "normalen" Sets, die jeder von uns kaufen kann. Mir sind diese Tüten nun erstmals selber beim Aufbau des Mack LR Electric Garbage Truck in die Hände gefallen (Review folgt).

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht so sehr ins Detail gehen, wie sich die neuen Tüten handhaben. Das hat Michael im oben verlinkten promobricks-Artikel bereits sehr ausführlich getan.

Lasst uns lieber darüber diskutieren, ob der Tausch von Plastikfolien gegen die neuen Papiertüten ein Schritt in die richtige Richtung ist. Bitte versteht, dass jegliche Wertung in diesem Text meine eigene Meinung widerspiegelt. Ich erhebe ausdrücklich nicht die Deutungshoheit und kann damit auch falsch liegen.

Verpackungen aus Kunststoff

Grundsätzlich finde ich den Gedanken von LEGO, den Weg zu einer nachhaltigeren Produktverpackung zu gehen goldrichtig. Ich finde es toll, dass LEGO neue Dinge ausprobiert, um seine Produkte "grüner" zu gestalten.

Nicht zuletzt genießen Kunststoffe aufgrund Ihrer Umweltbilanz einen schlechten Ruf. Bei den vom LEGO zum größten Teil zur Herstellung der Steine verwendeten ABS, handelt es sich um ein auf Erdöl und damit auf endlich vorhandenen fossilen Rohstoffen basierendes Produkt.

Die Endlichkeit des Rohstoffs Erdöl ist aber nicht das einzige Problem. Die Förderung von Erdöl ist energieintensiv und im höchsten Maße umweltschädlich. Da es immer weniger ertragreiche Fördergebiete gibt, dringen die Bohrunternehmen in Gebiete vor, in denen die Förderung zuvor entweder aus umwelttechnischen Aspekten indiskutabel oder wirtschaftlich nicht rentabel waren.

Während ABS und Polypropylen bei korrekter Handhabung recht unproblematisch sind, gilt das für das Ursprungsprodukt Rohöl noch lange nicht. Havarien von Tankern oder Schäden an Erdöl-transportierenden Pipelines sorgen immer wieder für große Schäden an Umwelt, Tier und Mensch.

Die Herstellung der von LEGO benötigten Folienmaterialien ist bei gleichem Gewicht zudem energieintensiver, als die Herstellung von Papier. 

Dass die traditionellen, aus ABS hergestellten LEGO-Steine robust sind und die damit hergestellten Steine Generationen überleben, hat LEGO bereits eindrucksvoll bewiesen. Aber auch hier ist LEGO nicht untätig und sucht nach Alternativen.

Für die Verpackung der Steine verwendete LEGO bislang das Material Polypropylen (PP) oder sogenanntes Polyethylen niedriger Dichte (LDPE). Diese Materialien zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr robust und (zumindest wenn das Material nicht bereits recycled wurde) lebensmittelecht sind. Dazu kommt, dass sich die bisher verwendeten Plastiktüten sehr gut recyclen lassen. In der Regel werden aber daraus keine neuen Folientüten.

Da es nicht immer sichergestellt werden kann, dass das wieder zu verwertende Material absolut sortenrein vorliegt, darf das Recyclat nach dem verwerten meist keinen Kontakt mit Lebensmitteln haben. Aus diesem Grund findet ein "Downcycling" statt. Das wiederverwerte Polypropylen wird zum Beispiel für die Herstellung von Verpackungen für Reinigungsmittel oder Gartenmöbel verwendet.

Natürlich braucht es zu einem erfolgreichen Recycling auch Nutzer, die da mitspielen. Laut den Daten aus dem Jahr 2022 (PDF) des Branchenverbands Plastic Recyclers Europe entfiel mit 26% der größte Teil der zurückgewonnenen Rohstoffe im EU-Schnitt auf die zu Folien verarbeiteten Materialen Polypropylen und Polyethylen. Die Regionen mit den größten installierten Recyclingkapazitäten sind laut Auskunft des Verbands Deutschland, Italien, die Niederlande, Spanien und das Vereinigte Königreich.

Leider ist das nicht weltweit gleich. Schaffen Länder wie Deutschland insgesamt eine echte Wiederverwertung von ca. 30%, sieht das in einigen Ländern ganz anders aus. LEGO beliefert auch Märkte, in denen das Recycling nicht so ausgeprägt oder in den jeweils gültigen Lebensumständen verankert ist.

Nicht überall gibt es Vorschriften, wie mit den genutzten Kunststoffen umzugehen ist. Nicht überall gibt es ähnlich komfortable Rücknahmesysteme, wie beispielsweise in Deutschland.  Wäre das überall so, würden wir (wenn wir die Endlichkeit fossiler Rohstoffe außer Acht lassen) diese Diskussion wohl nicht führen. Wir sollten ebenfalls nicht unterschätzen, dass ein nicht kleiner Teil der Kunststoffabfälle auch als Mikroplastik in der Umwelt landet und sich somit möglicherweise durch den Nahrungskreislauf auf unser aller Teller wieder findet.

Verpackungen aus Papier

Es ist also hochgradig sinnvoll, bei den Produktverpackungen auf ein Material zu setzen, dass sich zum einen leicht in bestehende Recyclingsysteme integrieren lässt und selbst bei unsachgemäßer Entsorgung keine Probleme macht.

Aber ist das bei den neuen Papiertüten tatsächlich so?

Beim von LEGO verwendeten Papier handelt es sich laut LEGO um Papier auf Basis von durch den Forest Stewardship Council (FSC) kontrolliertem Holz. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und damit weniger endlich, als das für die Plastikverpackungen verwendete Erdöl.

Wenn das für die Papierproduktion verwendete Holz in einer nachhaltigen Forstwirtschaft entsteht, handelt es sich bei diesem Naturprodukt um einen großartigen Rohstoff, der für viele Anwendungen zu verwenden ist.

Wie bereits oben erwähnt, ist das von LEGO verwendete Papier zertifiziert durch den Forest Stewardship Council (FSC), dessen Label sicher jeder von uns irgendwann mal beim Kauf von Papierprodukten bewusst oder unbewusst wahrgenommen haben dürfte.

In 1994 in Oaxaca (Mexiko) gegründet, ist der FSC laut eigener Aussage heute die führende Zertifizierungsstelle für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Drei Kammern lenken den FSC in einem demokratischen Prozess:

  • Die Environmental Chamber vereint NGOs, Umweltverbände und Forschungsorganisationen.
  • In der Social Chamber wird indigenen Volksgruppen, Arbeiterverbänden und Gemeinschaften ein Mitspracherecht gegeben.
  • Die Economic Chamber gewährt Vertriebsunternehmen und Herstellern in der Wertschöpfungskette Einfluss.

Diese Mitglieder definieren die Standards für eine FSC-zertifizierte Waldbewirtschaftung. Transparenzberichte, die für jeden einsehbar sind, schaffen Vertrauen in die vom FSC geschaffene Zertifizierung.

Jedoch ist auch der FSC nicht ohne Kritik. Einige sprechen gar von einem Fehlschlag des gesamten Unternehmens. So lassen offenbar einige Unternehmen einen ihrer Wälder offiziell zertifizieren, bewirtschaften ihre restlichen Wälder aber außerhalb der strengen FSC-Standards. Das hält sie aber augenscheinlich nicht davon ab, das FSC-Label auch auf die aus Nicht-FSC-zertifiziertem Holz hergestellten Produkte zu kleben. Der Verbraucher wird hier also bewusst getäuscht.

Auch wenn der FSC beteuert, diesen Fällen bei Bekanntwerden nachzugehen und passende Maßnahmen zu ergreifen, ist der Schaden dann bereits entstanden.

Aufgrund des Trends hin zu vermeintlich umweltfreundlicheren Verpackungen steigt die Nachfrage nach Holz, was wiederum auch bei dem für das zur Papierherstellung verwendete Holz zu Engpässen führt.

Der NABU gibt zur Auskunft, dass für die Herstellung des Rohstoffs Holz in der Papierherstellung eine nicht unerhebliche Menge Wasser, fossile Energie für den Betrieb von Maschinen und Chemikalien zum Einsatz kommen. Laut dem NABU handelt es sich bei der Papierindustrie um eine der sechs energieintensivsten Industrien in Deutschland.

Die größten papierproduzierenden Länder der Welt (Stand 2019) sind China (ca. 108 Mio. t), die USA (ca. 69 Mio. t), Japan (ca. 25 Mio. t) und Deutschland (ca. 22 Mio. t). Auf Europa insgesamt entfallen mit ca. 90 Mio. t etwa 22% der weltweiten Papierproduktion. Woher kommt nun das Holz für dieses Papier?

Da es mir nicht gelungen ist, einen Überblick über die weltweiten Quellen für das in der Papierindustrie verwendete Holz zu gewinnen, konzentriere ich mich in der folgenden Betrachtung hauptsächlich auf die Papierproduktion in Deutschland.

Lediglich ein Drittel des in Deutschland entstehenden Holzbedarfs für die Papierindustrie (ca. 3 Mio. t) wird laut NABU aus heimischer Produktion gedeckt. Der Restbedarf wird durch den Import von Holz sichergestellt. Der größte Posten kommt dabei mit ca. 1 Mio. t aus Brasilien.

Und dort setzen Monokulturen und Kahlschläge der Biodiversität in den Anbauregionen ziemlich zu. Für die Holzproduktion werden riesige Felder an schnellwachsenden Hölzern wie z. B. Eukalyptus angelegt. Menschen werden aus ihrem Lebensmittelpunkt vertrieben und ihrer Lebensgrundlage beraubt, um ertragsstarken Holzplantagen Platz zu schaffen. Und das auch bei Plantagen, die von Herstellern betrieben werden, die sich durch diverse Nachhaltigkeitssiegel auszeichnen lassen.

Wie sieht es denn mit dem Recycling der neuen Papiertüten aus?

Das Recycling für die neuen Papiertüten wäre grundsätzlich kein Problem, bestünden sie denn ausschließlich aus Papier. Bei dem von LEGO verwendeten Material handelt es sich laut LEGO allerdings um 95% um Papier. Bei den anderen 5% handelt es sich um einen nicht näher benannten Kunststoff. Dieser Kunststoff soll dabei helfen, die Verpackungen zu versiegeln und stabiler gegen das Durchstechen der enthaltenen Steine zu machen.

Damit wird aus dem für die Tüten verwendeten Material ein Verbundstoff. Solche Verbundstoffe kennt jeder von uns seit Ewigkeiten in Form von Tetra-Paks oder Butterbrotpapier. 

Der Vorteil solcher Verbundstoffe liegt daran, dass sich mit relativ überschaubarem Aufwand Eigenschaften der im Verbundstoff kombinierten Materialien verbinden lassen. So können Verbundstoffe gleichzeitig leicht und stabil, aber auch feuchtigkeitsabweisend oder fettundurchlässig sein.

Sind allerdings unterschiedliche Materialien zu einem Verbundstoff verarbeitet, wird ihre Recyclingfähigkeit im besten Fall erschwert und im schlechtesten Fall gar unmöglich gemacht. Verbraucher können diese Verbundstoffe in der Regel nicht selbst trennen und es fällt manchmal schwer zu entscheiden, wo bzw. wie ein Verbundstoff zu entsorgen ist.

LEGO gibt bei den Informationen zu seinen Produktverpackungen an, dass das für die Tüten verwendete Papier lediglich in der Europäischen Union, in den Vereinigten Staaten und Kanada für das Recycling zertifiziert wurde.

In Deutschland legt das Verpackungsgesetz (VerpackG §16) fest, dass Papiere mit Kunststoffbarrieren dann in die blaue Tonne gegeben werden dürfen, wenn der Hauptmasseanteil an der Verbundverpackung mindestens 95% beträgt. Dies trifft für die von LEGO verwendeten Materialien zu.

Persönliches Fazit

Die Recherche zu diesem Artikel lässt aus meiner persönlichen Sicht nur einen Schluss zu: Die perfekte Lösung gibt es nicht. Auch wenn den bisher verwendeten Kunststofftüten ein schlechter Ruf anhaftet, sind auch die neuen Papiertüten nicht automatisch aufgrund der Verwendung nachwachsender Rohstoffe umweltfreundlich.

Sowohl die Verpackungen aus Kunststoff, als auch die neuen Papiertüten haben ihre Vor- und Nachteile. Schlussendlich kommt es auf alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette bis hin zum Verbraucher an, ob eine Verpackung als nachhaltig bewertet werden kann.

Vom Nachhaltigkeitsgedanken her wäre es sicher besser, wenn LEGO für den jeweiligen Zielmarkt optimierte Verpackungen anbieten würde. Das ist aber wirtschaftlich wohl kaum sinnvoll zu handhaben.

Die umweltfreundlichste Möglichkeit, mit diesen Produktverpackungen umzugehen, wäre mit Sicherheit schlicht der Verzicht. Tüten, die nicht produziert werden, geraten nicht auf ungeplanten Wegen zurück in die Umwelt und müssten auch nicht energieintensiv wiederverwertet werden. Gerade für die kleinen Sets unter 300 Teilen ließen sich diese bestimmt auch ohne weitere Umverpackung in die Box packen, ohne dass das Produkt darunter zu sehr leidet.

Und jetzt möchte ich euch gerne zu Wort kommen lassen. Wie steht ihr zu den neuen Verpackungen? Haben die Einblicke aus diesem Artikel etwas an eurer bisherigen Meinung geändert? Lasst es mich gerne über meine Social Media Kanäle auf Facebook, Instagram, oder Mastodon wissen.

Quellen für diesen Artikel

Abenteuer Regenwald

Forest Stewardship Council

Gesetze im Internet

Greenpeace

Hunold + Knoop Kunststofftechnik

LEGO

NABU

OpenEdition Journals

Plastic Recyclers Europe

Wikipedia

Yale School of Environment